Die Farben meiner Träume - Frühe Kelims aus Anatolien

Die Farben meiner Träume - Frühe Kelims aus Anatolien

 

buch farben-meiner-traeume
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Harry Koll, Sabine Steinbock

Die Farben meiner Träume
Frühe Kelims aus Anatolien

Das Kelimbuch zeigt auf 264 Seiten 101 bisher unveröffentlichte frühe anatolische Kelims mit vielen Details.
Format:  340 x 240 mm Hardcover, Fotos: Udo Hirsch,ISBN: 978-3-00-032897-8
Verfasser und Herausgeber: Harry Koll. Aachen 2011

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Die Farben meiner Träume, Vorwort und Einführung

Die  hier vorliegende Publikation soll bisher unveröffentlichte ausgewählte frühe anatolische Kelims aus verschiedenen Privatsammlungen zeigen, sowie über sie berichten und informieren. Vier Kelimsammler aus drei Ländern haben mit ihren Stücken dazu beigetragen, ein Spektrum von 101 Kelims zu zeigen  und einen möglichst breiten und qualitätsvollen Einblick in das Sammelgebiet anatolischer Kelims zu ermöglichen. Dieses Buch wurde aus Sammlersicht geschrieben, mit dem Bemühen, auch  Laien und anderen Liebhabern textiler Kunst Freude und Genuss zu bereiten, aber auch Informationen zu liefern.
Für Außenstehende ist es immer wieder spannend zu erfahren, nach welchen Kriterien das Spektrum der vorliegenden Kelims zusammengestellt wurde. Abgesehen davon, dass einige wenige Textilien als Vergleichsstücke oder als Ergänzung, beziehungsweise Vervollständigung eines Bereichs aufgenommen wurden, gilt für alle hier abgebildeten und besprochenen Stücke als maßgebliches Kriterium der elitäre Begriff der Qualität. Um dieses abstrakte Prinzip in eine brauchbare Definition zu übertragen, müssen wir das hinzufügen, was diesen Begriff erst sinnvoll macht: Qualität in Farbe und Form. Auch müssen wir diese Begriffsbestimmung, da sie ideologisch besetzt ist, mit weiteren Kriterien füllen. Selbstverständlich geht es in unserem Fall immer um die ästhetische, im Gegensatz zur materiellen Qualität. Dass ein Urteil über Qualität ebenfalls von Vorlieben abhängig ist, soll hier nicht bestritten werden. In: Koll, H.: Kelim, Textile Kunst aus Anatolien, Aachen 2002 Seiten 6 und 7 sind beispielhafte Kriterien für eine Kelimauswahl aufgezählt, die auch für dieses Buch gelten. Der Farbqualität ist jedoch hier ein wesentlich höherer Rang zugefallen, ohne den grafischen Aspekt zu vernachlässigen. Die Beurteilung der Farbqualität der Naturfarben erfolgte nicht aufgrund von chemischen Analysen, sondern beruht auf langjähriger Erfahrung durch die Sichtung und den Vergleich von vielen frühen Stücken. Daraus ergaben sich gefühlte Vorlieben und Sympathien für bestimmte Farben und ihre Zusammenstellungen. Das Wissen über die Farbharmonie von frühen anatolischen Kelims ist inzwischen zum Allgemeingut geworden. Die chemische Analyse der Farben und ihrer Färbepflanzen zu diesem Zweck ist dadurch nahezu in den Hintergrund getreten.

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Auffällig ist die große Anzahl kappadokischer Kelims in dieser Auswahl. Einerseits hat dies mit der hohen Farbqualität dieser Stücke zu tun, aber auch mit der Vorliebe unserer Sammler für deren spezielles Farbspektrum. Andererseits ist gerade in den letzten 10 bis 15 Jahren eine besonders große Zahl interessanter kappadokischer Kelims im Handel aufgetaucht.
Eine weitere Besonderheit ist die große Anzahl von Streifenkelims in diesem Buch. Auch dies ist in erster Linie mit den Besonderheiten des Marktes zu erklären: Im gleichen Maße, wie das Angebot von qualitätsvollen großgemusterten Kelims mangels Masse zurückgegangen ist, wurden jetzt von den Moscheen die Restbestände in den Handel gegeben. Diese bestanden eben auch aus den Stücken, die vorher als nahezu unverkäuflich galten, den Streifenkelims. Einige Sammler nahmen diese Herausforderung an und konnten nun fast aus dem Vollen schöpfen: Plötzlich tauchten seltene und augenscheinlich sehr frühe Stücke auf, die eine neue Sicht auf diesen bisher vernachlässigten Kelimtyp erlaubten: Vom bisherigen Stiefkind in der Kelimfamilie hat sich der Streifenkelim nun möglicherweise zum „Stammvater“ gewandelt. Deshalb ist es auch angebracht, nachfolgend einige weitere Gedanken zum Thema Streifenkelim zu entwickeln (siehe Seite 102 ff).

Kelim  041

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Der oben erwähnte „Ausverkauf“ der Restbestände räumte manchen textilen Besitz einer Moschee bis auf den „Bodensatz“ aus. An dieser Stelle tauchten nun weitere Schätze auf: Fragmentarische Stücke, die der Markt in früheren Zeiten nicht akzeptiert hätte. Einige frühe Exemplare, die ohne Beispiel sind, kamen in den Handel (siehe Tafeln 55, 57 und 62). Ebenso sind aus diesen Restbeständen einige ungewöhnliche vollständige Kelims aufgetaucht, die vermutlich vorher als nicht begehrenswert galten, die jedoch von kreativ und frei denkenden Sammlern jetzt freudig erworben wurden (siehe Tafeln 42, 46, 86 und 87).
Die in diesem Buch abgebildete hohe Anzahl von Fragmenten trägt der Situation der letzten Jahre im Handel Rechnung. Stark beschädigten und verschmutzten Fragmenten wurde deutlich mehr Aufmerksamkeit zuteil. Diese Fragmente erforderten sowohl eine Weiterentwicklung in der Technik der Wäsche als auch neue Überlegungen zur anschließenden Konservierung und Präsentation. Auch beim Aufnähen auf Leinen mussten in Einzelfällen andere, subtilere Techniken entwickelt werden. Der früheren Tendenz zur Reparatur steht man heute bei diesen alten Textilien zunehmend skeptisch gegenüber, da bei jeder Reparatur zusätzlich noch vorhandenes Originalmaterial entfernt werden muss.
Allgemein ist festzustellen, dass sich auf Grund der aktuellen Situation jetzt ein neues, verändertes Verhalten einiger Sammler erkennen lässt: Der vorherige Schatzsucher, der fast nur die aus der Literatur bekannten Highlights begehrte, interessiert sich nun viel mehr für die Herkunft der Stücke, für die Stammeszugehörigkeiten, sowie für die Lebensbedingungen der Weberinnen und ihrer Familien. Er ist auch bereit, Vergleichsstücke und weniger „spektakuläre“ Kelims zu erwerben, die wichtig für zusätzliches Wissen und für neue Erkenntnisse sind.
Ein Meilenstein dieser neuen Entwicklung war das 3. Nienburger Teppich- und Textilsymposium 1995 zu dem Thema „Flachgewebe aus dem südlichen Taurus“. Hier wurden fast 100 Flachgewebe einer Region miteinander verglichen und diskutiert. Die Ergebnisse und die Abbildungen der Kelims wurden anschließend in einer umfangreichen Publikation veröffentlicht (1). Der Erkenntnisgewinn für Kelimliebhaber war enorm und für weniger spezialisierte Besucher gab es immerhin interessante Einblicke in eine Region Anatoliens, ihre Menschen und ihre textilen Erzeugnisse.
Unser Buch möchte diese Tendenz aufgreifen und über anatolische Kelims berichten sowie zum Nachdenken und zur Diskussion anregen.
1) Herausgeber: Textil-Symposium Nienburg, Nienburg 2006

Harry Koll